„Die alten Heuställe stellen nicht unser grösstes Problem dar“

Diese Woche ist eine Meldung durch die Medien gegeistert, in der die kleine Tessiner Gemeinde Gambarogno idyllische Rustici mit Blick auf den Lago Maggiore für nur einen Franken zum Verkauf anbieten soll, mit dem Vermerk, dass diese auch renoviert werden. Im Herbst entscheidet die Baukommission, ob diese Idee überhaupt zulässig ist. René Meier, Bereichsleiter Architektur und Planung, hat das angebliche Schnäppchen unter die Lupe genommen.

 

 

Wie viel wird die Renovation eines dieser Häuser ungefähr kosten?

Alle Gebäude liegen in der Landwirtschaftszone, also ausserhalb der Bauzone. Das Areal ist nur zu Fuss erreichbar. Das Gebiet ist nicht vollständig erschlossen. Eine Trinkwasserquelle ist im Weiler vorhanden, Abwasser und Strom wahrscheinlich nicht. Die einzelnen Gebäude bestehen offenbar teilweise nur noch aus den Grundmauern, teilweise fehlt das Dach. Soweit ich das beurteilen kann sind die Bedingungen für die Renovation nicht abschliessend festgelegt, es geht vor allem um die Aufwertung und Wiederbelebung des kulturellen und architektonischen Erbes des Weilers und die Wiederherstellung des traditionellen Gesamtbildes des Weilers. Die Kosten für eine Sanierung sind auf dieser Basis nicht zu beziffern.

 

Wenn die Baukommission den Vorschlag nun ablehnt, gibt es in deinen Augen noch andere Möglichkeiten das Dörfchen vor dem Zerfall zu retten?

Da hilft im Kern wohl nur ein passendes, touristisches Projekt. Offenbar bestehen entsprechende Pläne seit den 70er-Jahren. Es sei geplant, dass aus einer kleinen Gebäudegruppe, die sich in der Nähe des Brunnens an der Kreuzung der Wanderwege befindet, auf Kosten der Gemeinde eine Berghütte entstehen soll, wo sich Wanderer und Mountainbiker auf dem Weg zum Monte Tamaro und Monte Lema verpflegen können. Ein solches Projekt würde eine private Nutzung der Rustici im Weiler natürlich attraktiver machen. Natürlich würde auch die diskutierte Seilbahn von Indemini die Erschliessung des Weilers verbessern – die Finanzierung und Verträglichkeit mit dem kulturellen Erbe sind aber mehr als fraglich.

 

Könnte die Idee der günstigen Erwerbbarkeit auch für die vom Zerfall bedrohten Heuställe in Graubünden eine Rettung sein?

Nein, es fehlt nicht an Interessenten. Es geht um den Interessenkonflikt – Umnutzungsinteresse und Erhalt von kulturellem Erbe. Laut dem Zweitwohnungsgesetz widerspricht die Umnutzung von Ökonomiebauten zu Ferienwohnungen in einem kleinen, nicht erschlossenen und fernab der nächsten Siedlung liegenden Gebiet wichtigen Zielen und Grundsätzen des Raumplanungsrechts, namentlich dem Trennungsgrundsatz von Bau- und Nichtbauzonen, dem Grundsatz der Konzentration der Siedlungstätigkeit in Bauzonen und der Begrenzung des Zweitwohnungsbaus. Wir müssen den Zerfall von Baustruktur und den dadurch entstehenden Verlust kulturellen Erbes wohl akzeptieren, wenn keine passenden Nutzer oder Mittel für den Erhalt bereitstehen – das gilt für zerfallende Ställe genauso wie für ganze Weiler, Dörfer oder gar Täler. Im besten Fall findet sich eine passende Nutzung, die mit der geltenden Gesetzgebung im Einklang steht. Die wichtigsten kulturellen Güter sollten mit Unterstützung der öffentlichen Hand erhalten werden und eine sonst vielleicht unwirtschaftliche Nutzung ermöglichen. Bauobjekte ohne Nutzer und ohne übergeordnetes Interesse am Erhalt des kulturellen Erbes sind langfristig dem Zerfall überlassen. Schaut man sich unsere Dörfer an, wird man erkennen, dass die alten Heuställe und «Futterhäuschen» nicht unsere grössten Probleme darstellen. Der Anteil der ungenutzten und zerfallenen Häuser in den Dorfkernzonen wird zum Beispiel immer grösser.

 

Fanzun AG

Architekten Ingenieure Berater: Als Generalplanerin mit Standorten in Chur, Samedan, Scuol, Zürich, Bern und St. Gallen verfügt die Fanzun AG über mehr als 50 Jahre Erfahrung im Bauwesen. Das Portfolio des Unternehmens besteht aus anspruchsvollen Projekten in den Bereichen Tourismus, Gewerbe, Infrastruktur- und Wohnungsbau. Dass sich darunter auch einige preisgekrönte Bauten finden, liegt an der ganzheitlichen Herangehensweise von Fanzun. Über 80 Generalisten und Spezialisten vereinen ihr Wissen und bieten die gesamte Palette an Bau- und Immobiliendienstleistungen auf hohen Niveau an – von der strategischen Planung und Beratung über die Gestaltung und die Energiekonzeption bis hin zum Baumanagement.

 

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